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Bricht die Italien-Krise der SNB das Genick?

Am 7. April 2017, dem Tag der Generalversammlung der Schweizerischen Nationalbank, war die Welt der Notenbank noch in Ordnung. Der Euro notierte bei 1.20 zum Franken, und SNB-Chef Thomas Jordan konnte einen Jahresgewinn für das vergangene Geschäftsjahr von 54 Milliarden Franken vorweisen.

Ein Sieg auf der ganzen Linie, konnte man meinen.

Die Lage an den Devisenmärkten kann so rasch drehen wie das Wetter in den Alpen. Aus einer gemütlichen Bergwanderung bei ruhigem Wetter kann ein tödlicher Albtraum werden bei fürchterlichem Schneesturm. Dies ist besonders dann gefährlich, wenn die Berggänger unterwegs sind mit falscher Ausrüstung.

Und je höher – desto gefährlicher.

SNB-Chef Thomas Jordan ist Bergführer in geldpolitischer Mission. Er will einen Berg bezwingen, den noch niemand bezwungen hat: Er will den Gipfel der Devisenmärkte als Erster erklimmen und von dort die Devisenmärkte kontrollieren und bestimmen.

Das könne er, behauptet er – denn er und die SNB könnten als einzige „Geld aus dem Nichts drucken“; und die volkswirtschaftlichen Gesellschaften von Basel über Bern bis nach Zürich applaudieren.

Auf seine verheissungsvolle Wanderung hat Jordan die ganze Schweiz mitgenommen. Alle trotten dem Nationalbankpräsidenten brav hinterher – ins absehbare Verderben. Und das mit falscher Ausrüstung: falschem Kompass, falscher Wanderkarte.

Rund 700 Milliarden „Geld aus dem Nichts“ hat Jordan nun schon gedruckt. Will heissen: Die SNB hat für jeden Bewohner und jede Bewohnerin der Schweiz rund 100’000 Franken Schulden gemacht. Tendenz steigend.

In seinem jüngsten Interview im Tages-Anzeiger vom letzten Mittwoch bekräftigte der SNB-Chef seinen Willen, am Devisenmarkt weiter zu intervenieren. Im Klartext heisst das: Jordan will noch mehr Schulden machen.

Anstatt Euros in die Euro-Stärke hinein zu verkaufen, kauft die SNB immer noch mehr Euro. Noch mehr. Noch mehr. Jedes Fenster zum Ausstieg lässt sie ungenutzt. Die SNB verpasst jede Gelegenheit. Mutwillig. Der Euro ist nun drei Jahre gestiegen. Aber die SNB hat nicht verkauft – sie hat stets dazugekauft.

Seit Anfang 2015, unmittelbar vor Aufgabe des Mindestkurses bis heute, hat die SNB ihre Devisenanlagen um weitere fast 300 Milliarden, von rund 500 auf fast 800 Milliarden, oder um fast 60 Prozent aufgestockt. Das momentane Resultat lautet, dass der Euro jetzt wieder 5 Rappen unter dem damaligen Mindestkurs liegt.

Wenn das so weitergeht und die SNB jedes Jahr für rund 100 Milliarden Devisen kauft, lässt sich einfach ausrechnen, wohin die Reise führt: In zwei Jahren besitzen wir eine Billion Devisen. Nach weiteren 10 Jahren 2 Billionen. Der Euro notiert dann vielleicht noch bei eins zu eins. Verlust der SNB: Zwischen 200 und 400 Milliarden.

Das Eigenkapital der SNB ist dann weg. Die SNB ist Konkurs – genauso wie ihre grössten Geldgeber, die UBS, die CS und die Kantonalbanken.

Die kleine SNB hat dann fast so viele Schulden wie der Staat Italien, dessen Schulden die momentane Krise auslösten. Wir müssen nicht erstaunt sein, wenn wir in einigen Jahren stärker verschuldet sind als Italien. Gibt es dann für die Schweiz auch „Rettungsschirme“?

Jedem Menschen mit klarem Verstand müsste spätestens jetzt klar werden, dass man der SNB Einhalt gebieten muss. Aber kein Widerstand regt sich. Bürger und Politiker, sie alle zotteln brav dem SNB-Präsidenten hintennach.

Die SNB könne ja Geld drucken, „aus dem Nichts“; so spricht man sich Mut zu. Und zudem müsse die SNB gemäss Beteuerungen ihres Chefs ihre Schulden nie zurückzahlen. Die SNB, sie kann also gar keine Schulden haben.

Sogar der Doyen der Schweizer Wirtschaft, Rainer E. Gut, hat geklatscht, als Jordan seine Phantasien vor der Volkswirtschaftlichen Gesellschaft Zürich ausbreitete. Und dieser Doyen hat ja im Fall Swissair bewiesen, dass er was kann.

So sieht die naive Welt der SNB aus.

Einerseits ist das verständlich. Andererseits ist es inakzeptabel.

Verständlich aus folgendem Grund: Solange Jordan den Euro hinauf drücken kann, können er und die SNB manipulierte SNB-Gewinne ausweisen. Eigentlich ist das verboten. Gemäss www.admin.ch müssen „Aktiengesellschaften zwingend das Niedrigstwertprinzip anwenden“.

Die SNB ist doch Aktiengesellschaft? Zudem muss sie, gemäss Nationalbankgesetz, nach den Richtlinien des OR geführt werden. Die SNB foutiert sich aber darum. Dabei weiss sie ganz genau: Der Wert der Devisen in ihrem Portefeuille ist manipuliert. Würde sie Devisen verkaufen, so würde deren Wert und damit der Gewinn der SNB einbrechen.

Inakzeptabel ist das Verhalten der SNB, weil absehbar ist, dass die Schweizer Volkswirtschaft durch die manipulativen Devisenkäufe der SNB früher oder später einen gewaltigen Schaden davontragen wird. Jordan ist dann vielleicht schon pensioniert. Was soll’s? Der Schaden wird kommen, weil die SNB wartet und wartet, zukauft und zukauft. Worauf wertet sie? Bis der Euro auf 1.30 oder 1.40 steigt?

Mit Mühe – ähnlich dem Sisyphus – hatte Jordan den Euro wieder auf die Marke von 1.20 hinaufgedrückt. Aber der Stein rollt schon wieder herunter. Gegen Jordans Willen, und das wegen eines Donnergrollens in weiter Ferne; oder eines Gewitters, das heftig werden könnte – oder auch nicht.

In Italien bahnt sich eine politische Krise an. Die wievielte? Politische Krisen gibt es in Italien zuhauf. Allein die jüngste Krise hat aber gereicht, um den Euro innerhalb weniger Tage um über 5 Rappen absacken zu lassen: Von 1.20 auf unter 1.15. Das beunruhigt.

Nochmals schätzungsweise dreimal 5 Rappen Verlust, und unsere Nationalbank ist Pleite. 5 Rappen: Das bedeutet für die SNB und für uns Schweizer einen zweistelligen Milliardenverlust. Wer garantiert, dass Dollar und Euro nicht wieder ihre Tiefststände testen? Bei etwas über 70 respektive 80 Rappen?

Bei zwei Billionen Devisenanlagen wäre dann mit Hunderten Milliarden Franken negativem Eigenkapital der SNB zu rechnen. Ein Debakel für die Schweiz bahnt sich an – und alle schauen tatenlos zu.

Man klammert sich an die Kaufkraftparitäten-Theorie. Gemäss dieser soll der Franken fallen. Das ist der falsche Kompass, den ich vorhin erwähnte. Dieser Kompass verwechselt Norden und Süden. Er zeigt nach Süden anstatt nach Norden.

Gemäss Kaufkraftparitäten-Theorie sollte der Franken fallen. Warum? Weil die Preise in der Schweiz hoch sind. Jeder Anfänger weiss aber, dass eine schwache Währung zu hohen Preisen führt – nicht ein starke. Der Franken ist also nicht über-, sondern unterbewertet. Erst wenn der Franken stärker wird, fallen die Preise.

Aber wahrscheinlich muss zuerst die Bank of England die Kaufkraftparitäten-Theorie für falsch erklären, bis das auch die SNB bemerkt. So geschehen bei der Geldschöpfungstheorie der Banken. Erst nachdem die Bank of England die neue Geldschöpfungstheorie übernommen hatte, bemühte sich auch die SNB, ihre Irrlehre zu korrigieren.

SNB-Chef Jordan predigt nun diese, als hätte er nie etwas anderes gekannt.

Seit Freigabe der Wechselkurse hat der Dollar per Saldo gegenüber dem Franken um über 75 Prozent eingebüsst. Auch der Euro neigt gegenüber dem Franken fundamental zur Schwäche. Sämtliche europäischen Währungen vor Einführung des Euro tendierten gegenüber dem Schweizerfranken schwach.

Französischer Franc, sowohl alter als auch neuer, italienische Lira, spanische Peseta, griechische Drachme, deutsche Mark – alle werteten gegenüber dem Franken fortlaufend ab. Jahrzehntelang. Und jetzt will uns die SNB weismachen, dass all diese Währungen im Verbund gegenüber dem Franken stark seien und noch stärker werden sollen. Wer‘s glaubt.

Warum ist der Franken stark? Weil die Schweizer Wirtschaft stark ist. Die Exporte sind hoch. Die politische Lage ist stabil. Das hat sich nicht geändert. Es gibt somit keinen fundamentalen Grund, dass der Franken schwach werden soll.

Der Euro ist in den letzten drei Jahren, seit dessen Absturz nach Aufgabe des gescheiterten Mindestkurses, kontinuierlich gestiegen. Dafür waren mehrere Gründe verantwortlich: Zuerst einmal sind da die 300 Milliarden Franken, welche Jordan in die Hand genommen hat, um den Euro zu stützen.

Technisch gesprochen hat sich aber zudem aufgrund des Euro-Absturzes im Januar 2015 „eine Lücke aufgetan“ („open a gap“). Das heisst, es gab für den Euro auf dem Weg wieder hinauf nach 1.20 keine technischen Widerstände. Der Markt hat nun also diese Lücke wieder geschlossen, wie das sehr oft an den Devisenmärkten beobachtet werden kann in geringeren Ausmassen.

Nachdem also die gewaltige Lücke bei 1.20 geschlossen worden ist, steht einem erneuten Absturz des Euro nicht mehr viel im Wege; nur die technischen Widerstände, die sich auf dem Weg nach oben bildeten, sind eine schwache technische Unterstützung.

Es brauchte also nur einen Funken, um bei 1.20 eine Kehrtwende beim Paar Euro-Franken auszulösen. Dieser Funken war oder ist die politische Krise in Italien. Dar Markt sucht sich seine „Stories“. Italien ist eine Story, wie Griechenland auch. Wie sich diese weiterentwickelt, steht in den Sternen. Sie kann sich auflösen oder sie kann gefährlich werden.

Wie auch immer: Je höher oben, desto gefährlicher. Je mehr Devisen die SNB auf Pump kauft, desto gefährlicher wird die Radiowanderung der SNB im Hochgebirge. Ein immer schwächerer Funke kann dann eine immer grössere SNB-Krise auslösen.

Und weitere Euro-Krisen sind in den nächsten Jahren programmiert: Italien, Griechenland erneut, Portugal, Irland, Spanien, Frankreich und und und. You name it.

Populisten in Italien und in all diesen Ländern machen Stimmung gegen die EU. Warum? Sie möchten ihre Währung abwerten, damit ihre Exporte günstiger werden. Sie möchten das tun, was unsere SNB seit Jahren tut: unlauterer Wettbewerb. Sie sind in Zugzwang. Kann man ihnen das verargen?

Die Euro-Krisen werden anhalten. Und sie werden häufiger und kräftiger werden. Wir sollten nicht erstaunt sein, wenn US-Präsident Trump uns auf eine graue Liste setzen will.

Noch ein Wort zur Ausrüstung der SNB-Bergführer. Neben einem falschen Kompass (Kaufkraftparitäten-Theorie) orientieren sie sich auch an einer falschen Wanderkarte auf ihrer Höhenwanderung. Hartnäckig behauptet die SNB, sie müsse ihre Schulden nicht zurückzahlen, weil niemand bei er SNB eine Banknote gegen Gold einlösen könne.

Wegen dieses lapidaren Nebensatzes setzt die SNB die ganze Schweizer Volkswirtschaft und unsere politische Unabhängigkeit aufs Spiel. Dass hier ein Irrtum unserer Nationalbank vorliegt, lässt sich einfach zeigen.

Erstens wird die Behauptung, die SNB müsse ihre Schulden nicht zurückzahlen, vom Gesetz nirgends gestützt. Es gibt nirgends einen Artikel, wonach die Schweizerische Nationalbank ihre Schulden nicht zurückzahlen müsse.

Im Gegenteil: Im Nationalbankgesetz (Artikel 18) wird festgehalten: „Der Mindestreservesatz darf 4 Prozent der kurzfristigen, auf Schweizerfranken lautenden Verbindlichkeiten der Banken nicht überschreiten.“ Die Banken halten ihre Mindestreserven bei der SNB in Form von Giroguthaben.

Daraus folgt zwingend: Die SNB hat keine Handhabe, von den Banken Mindestreserven (Giroguthaben) über dieses Ausmass hinaus einzufordern; die SNB kann den Banken somit nicht verbieten, ihre überschüssigen Mindestreserven wieder abzubauen.

Das geht nur, wenn die SNB Vermögenswerte veräussert. Jordans gegenteilige Behauptung verstösst gegen das Nationalbankgesetz.

Auch verstösst Jordans Behauptung gegen das Gesetz, wonach die Giroguthaben der Banken bei der SNB Zahlungsmittel für die SNB seien. Korrekt ist, dass die Giroguthaben der Banken bei der SNB Zahlungsmittel für die Banken darstellen.

Diese Giroguthaben der Banken sind umgekehrt Giroverbindlichkeiten der SNB, wie es auch aus dem Geschäftsbericht der SNB hervorgeht. Und Giroverbindlichkeiten sind keine Zahlungsmittel. Sie können es per Definition nicht sein, und zudem stützt das Gesetz diesen Irrtum der Nationalbank nicht.

Zweitens interpretiert die SNB das Wort „gutschreiben“ als „schuldtilgend“ anstatt als „schuldbildend“. Die Deutsche Bundesbank, mit Chef Jens Weidmann und vormals Axel Weber, heute Chef UBS, begeht übrigens denselben Irrtum.

Ob die jetzige Italien-Krise der SNB das Genick bricht, lässt sich nicht sagen. Sicher ist aber: Je höher Bergführer Jordan steigt und je mehr Devisenanlagen die SNB akkumuliert, desto gefährlicher wird es. Ein kleiner Funke, und von diesen wird es noch viele geben, oder auch grössere Wirtschaftskrisen werden dann der SNB zusetzen. Sie hat es dann selbst verschuldet.

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Marc Meyer
Together with the professor Hans Geiger and Lukas Hässig, Dr Marc Meyer is the biggest opponent of the Swiss National Bank. Analogously to Macbeth's three witches, George Dorgan called them the three Swiss sorcerers that fight against the seemingly unlimited power of central banks.
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1 comment

  1. Stefan Wiesendanger

    Brechen die EUR-Reserven der SNB das Genick? Die Frage hat zwei Aspekte. 1. Ist der EUR überbewertet? Im internationalen Vergleich nicht, gegenüber dem CHF leicht. 2. Sind die EUR-Assets in der SNB-Bilanz werthaltig? Da es sich in der Hauptsache um Staatsanleihen der Nordländer handelt, ist die Antwort “Ja”. Im Fall eines Austritts von Italien oder eines Auseinanderbrechens der EUR-Zone wäre sogar mit Aufwertungen der SNB-Reserven zu rechnen.
    Natürlich wären alle froh, die SNB-Bilanz wäre leichter. Aber die eingangs gemachten Ueberlegungen zeigen, dass es keinen Anlass gibt, eine Katastrophe an die Wand zu malen.

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