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Erzwungene Transformation – das große Missverständnis

Erzwungene Transformation – das große Missverständnis

22. November 2024 – von Rainer Fassnacht

Zur Bedeutung des Wortes Transformation ist im Duden zu lesen „das Transformieren; das Transformiertwerden“. Diese Erklärung weist aus Sicht der Sprache auf einen Doppelcharakter hin – der Mensch kann selbst aktiv gestalten oder ein Objekt für die Umgestaltungswünsche anderer Menschen sein. Genau dieser Doppelcharakter zeigt sich auch, wenn Ökonomen von Transformation sprechen.

Top-down- vs. Bottom-up-Ökonomen

Einerseits gibt es (politische) Ökonomen, welche dem Staat beziehungsweise der Regierung die Aufgabe zuschreiben, die „realen und hoffentlich für alle unbestreitbaren Transformations-herausforderungen“ anzugehen. Andererseits gibt es (freiheitlich orientierte) Ökonomen, welche Transformation nicht als politische Aufgabe, sondern als einen laufenden Prozess verstehen, der sich ergibt, wenn Menschen handeln.

Die politischen Ökonomen gehen von einer top-down, die freiheitlichen von einer bottom-up Perspektive aus. Beide Sichtweisen haben aus politischer Sicht oder der Perspektive der betroffenen Menschen Vor- und Nachteile.

Top-down-Transformation ist das Kernthema der Regierung in Deutschland sowie zahlreicher internationaler Institutionen. Ökonomen, welche Argumente liefern, dieses Vorgehen zu rechtfertigen, sind daher aus politischer Sicht willkommen und nützlich. Insofern verwundert es nicht, dass die von den Vertretern der ehemaligen ‚Ampel‘ in Anspruch genommenen „Wirtschaftsexperten“ Top-down-Ökonomen waren.

Eine weitere Passage aus dem oben bereits zitierten und verlinkten Beitrag zeigt exemplarisch die Nützlichkeit solcher Ökonomen für die aktuelle Politik:

Unsere Gesellschaft befindet sich inmitten eines tiefgreifenden Transformationsprozesses. Im Zentrum: die Wirtschaft und die Suche nach Wegen zur Nachhaltigkeit. Die nächsten Jahre werden entscheiden, ob uns dieser Wandel by disaster passiert – oder by design gelingt.

Die ‚Lieblinge‘ der Politik vs. die ‚Dissidenten‘

Für einen Politiker, der sich der ‚Transformation von oben‘ verschrieben hat, für welchen die Menschen also Objekte sind, deren Verhalten mit Anreizen und/oder Zwang verändert werden muss, dürften solche Worte hilfreiche Werkzeuge sein. „Sehen Sie“, könnte er sagen, „die Wirtschaftsexperten weisen darauf hin, dass es ein Desaster geben wird, wenn wir den richtigen Weg nicht politisch vorgeben!“

Freiheitliche Ökonomen können dem entgegenhalten, dass „Wandel by design“ nur eine andere Bezeichnung für Intervention und Planwirtschaft ist. Und sie könnten darauf hinweisen, dass Ludwig von Mises (1881 – 1973), der wohl bedeutendste Ökonom und Sozialphilosoph des 20. Jahrhunderts, bereits im Jahr 1920 aufgezeigt hat, dass und warum Planwirtschaft scheitern muss. Außerdem könnten sie mit zahlreichen Beispielen belegen, dass alle praktischen Versuche der Umsetzung gescheitert sind. Sie könnten Fragen: „Warum wollt ihr einen Weg einschlagen, der zum Scheitern verurteilt ist?“

Die Argumentation solcher Ökonomen wäre für einen Politiker, der sich der ‚Transformation von oben‘ verschrieben hat, für den die Menschen also Objekte sind, deren Verhalten mit Anreizen und oder Zwang verändert werden muss, ein Problem und keine Hilfe. Möglicherweise liegt hierin eine der Ursachen, dass die Universitäten in Deutschland zwar diverse Spielarten der politischen Ökonomie unterrichten, Lehrstühle für Austrian Economics aber eher im Ausland zu finden sind.

Wir sehen also, dass die derzeitige Regierung die Argumente der politischen Ökonomen hilfreich und jene der freiheitlichen Ökonomen störend finden dürfte. Doch wie sind diese unterschiedlichen Ansätze aus Sicht der betroffenen Bürger zu bewerten? Macht es Sinn, anzunehmen, dass auch aus deren Perspektive, die Top-down-Transformation gegenüber der Bottom-up-Transformation vorzuziehen ist?

Verlust der Freiheit

Wenn durch politische Intervention – also Top-down-Transformation – das Verhalten mit Anreizen und/oder Zwang verändert werden soll, schränkt dies die Handlungsoptionen der Menschen ein. Sofort deutlich wird dies bei strafbewehrten Verboten. Wird es beispielsweise illegal, außerhalb der eigenen vier Wände einen Schraubenzieher dabei zu haben, fällt diese Handlungsoption – bei rechtstreuen Bürgern – weg (analoge Rechtssetzung gibt es bereits).

Auch Anreize verändern Handlungsoptionen: Sie tun dies, indem sie Kosten verändern. Wird eine bestimmte Handlung ‚gefördert‘ (beispielsweise durch einen finanziellen Zuschuss) oder erschwert (beispielsweise durch kostenerhöhende Maßnahmen), verändert dies die Bewertung eines Handelnden beziehungsweise seinen Vergleich mit der nächsten Handlungsalternative.

Genau dies ist der Sinn der Anreize: Sie sollen Handlungen in die gewünschte Richtung lenken, ohne direkt ein Ge- oder Verbot aussprechen zu müssen. Bei Ge- und Verboten ist die ‚Fernsteuerung‘ offensichtlicher, was aus politischer Sicht für die Nutzung von Anreizen spricht und die inflationäre Nutzung von ‚Lenkungssteuern‘ erklärt. Es bleibt noch anzumerken, dass nicht nur Anreize und Zwang, sondern auch permissive Staatseingriffe (wenn einigen Bürgern zusätzliche Freiheiten oder Befugnisse eingeräumt werden) zerstörerischer wirken, als gemeinhin angenommen wird.

Jede Intervention reduziert für die Mehrzahl der Menschen die Handlungsoptionen und führt zu Freiheits- und Wohlstandsverlust. Sind Menschen diese Zusammenhänge bewusst, ist es unwahrscheinlich, dass diese die Top-down-Transformation gegenüber der Bottom-up-Transformation vorziehen.

Anmaßung von Wissen

Es kommt eine Erkenntnis hinzu, die Friedrich August von Hayek (1899 – 1992) vor 50 Jahren in seiner Rede zur Verleihung des „Nobel-Gedächtnispreises für Wirtschaftswissenschaften“ treffend auf den Punkt brachte: Jede Top-down-Transformation beruht auf der Anmaßung von Wissen. Auch die Berufung auf Experten ändert nichts an diesem Sachverhalt.

Menschen, welche diese Zusammenhänge verstanden haben, dürften es vorziehen, Veränderung durch frei gewählte Handlungen selbst aktiv zu gestalten, statt ein Objekt für die Umgestaltungs-wünsche der jeweiligen Regierung zu sein.

Fazit

Das große Missverständnis besteht darin, dass die Interventionisten beziehungsweise heutigen Planwirtschaftler anzunehmen scheinen, dass ohne Eingriff von oben keine Veränderung hin zum Besseren stattfinden würde. Doch genau diese Annahme ist falsch. Nicht zuletzt die Erfolgsgeschichte von Marktwirtschaft und Kapitalismus zeigt, dass nicht-erzwungene Handlungen und freiwilliger Austausch, den besten Nährboden für Verbesserungen bilden.

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Rainer Fassnacht ist Diplom-Ökonom und schreibt für verschiedene Printmedien und Onlineplattformen im In- und Ausland. Hauptthema seiner Beiträge ist die Bewahrung der individuellen Freiheit.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Instituts Deutschland wieder.

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