Wie hoch würde der Euro gegenüber dem Schweizerfranken notieren ohne die Interventionen unserer Schweizerischen Nationalbank (SNB)? Das ist eine hypothetische Frage, die wissenschaftlich nicht exakt beantwortet werden kann. In der Nationalökonomie können wir ja keine Versuche im Labor durchführen.
Trotzdem müssen wir irgendeine Vorstellung haben, was die Interventionen der SNB am Devisenmarkt überhaupt bringen. Diese kosteten uns ja in den vergangenen Wochen immerhin rund 5 Milliarden pro Woche oder rund 1 Milliarde pro Tag.
Glühende Befürworter der SNB-Interventionen aus Kreisen der Exporteure oder der Tourismusbranche würden wahrscheinlich behaupten: Ohne Interventionen der SNB wäre der Euro/Franken-Kurs möglicherweise 15 oder gar 20 Prozent tiefer.
Skeptiker der SNB-Interventionen würden dem wahrscheinlich entgegenhalten und behaupten: Ohne Interventionen der SNB wäre der Euro/Franken-Kurs möglicherweise 5 Prozent tiefer.
Bildet man einen Schnitt aus diesen beiden unterschiedlichen Beurteilungen, so kommt man zum Resultat, dass ohne Interventionen der SNB der Euro/Franken-Kurs schätzungsweise rund 10 Prozent tiefer notieren würde.
Vergleicht man das Interventionsvolumen der SNB mit den täglich gehandelten Devisen an den weltweiten Devisenmärkten, so kommt man zum Schluss, dass die Interventionen der SNB langfristig gar keinen Effekt haben können.
Die über Jahre akkumulierten 700 Milliarden Franken Devisen der SNB können das weltweit gehandelte Volumen von umgerechnet über 4 Billionen Dollar pro Tag nie und nimmer beeinflussen. Das ist reine Logik.
Man muss sich im Klaren darüber sein, dass der Wechselkurs Euro/Franken über die sogenannten Crossrates (Währungsgeflecht) auch von Wechselkursen wie Dollar/Franken, Dollar/Euro abhängt.
Ein Blick auf die Entwicklung des Wechselkurses Euro/Franken zeigt denn auch Folgendes. Im langfristigen Vergleich tendiert der Euro kontinuierlich schwächer. Genauso, wie der Dollar seit Freigabe der Wechselkurse im Jahre 1973 von über 4.30 zum Franken auf nunmehr unter Parität fiel, genauso fällt der Euro gegenüber dem Franken kontinuierlich.
Der Dollar verzeichnete seit Freigabe der Wechselkurse ein Minus von grob gerechnet 2 Prozent pro Jahr. Demgegenüber ist der Euro seit seiner Einführung vor etwas über 17 Jahren per Saldo auch um ziemlich genau 2 Prozent pro Jahr gefallen.
In dieser Zeit oszillierte der Wechselkurs Dollar/Euro um den ehemaligen Emissionskurs des Euro zum Dollar bei 1.10. Ein Euro kostet umgerechnet immer noch rund 1.1 Dollar wie damals bei der Lancierung des Euro.
Im langfristigen Vergleich ist und bleibt der Franken also eine starke Währung. Das war auch in Relation zu den Vorgänger-Währungen des Euro bereits der Fall: Sowohl Lira, alter und neuer französischer Franc, Peseta, Drachme, Escudo, Schilling, irisches Pfund, DM undsoweiter undsofort – sie alle schwächten sich gegenüber dem Franken über die Jahre und Jahrzehnte kontinuierlich ab. Die einen mehr, die anderen weniger. Aber alle werteten sich ab.
In dieser ganzen Zeit war die Schweizer Wirtschaft stark. Man kann mit Fug und Recht argumentieren, dass der starke Franken das Resultat der starken Schweizer Wirtschaft ist.
Und eine Trendumkehr ist nicht in Sicht: Die Schweizer Exporte eilen von Rekord zu Rekord. Im vergangenen Jahr verzeichnete unser Land einen Exportüberschuss von sage und schreibe über 37 Milliarden Franken.
Die Devisen, welche die Schweizer Exporteure lösen, wechseln sie in Franken, wobei ihnen die SNB einen Mindestpreis garantiert – ob offiziell (Mindestkurs 1.20) oder inoffiziell (heute bei rund 1.08).
Die SNB begeht also genau den gleichen Fehler wie der Bundesrat vor einiger Zeit mit dem garantierten Mindestpreis für Milch an die Bauern.
Nur: Damals bei der Milch ging es um einen maximal dreistelligen Millionenbetrag. Bei den Devisen der SNB geht es um dreistellige Milliardenbeträge – also um das Tausendfache. Und die SNB wird genauso scheitern wie damals der Bundesrat.
Der Schaden wird aber um das Tausendfache grösser sein.
Als Folge der garantierten Devisenverkäufe der Exporteure steigt die Nachfrage nach Franken, es steigt der Frankenkurs. Auch das ist reine Logik. Wollen wir nun eine schwache Schweizer Wirtschaft, nur damit der Franken fällt? Wohl kaum – nur die SNB will das.
Die SNB beteuert immer wieder, der Franken sei überbewertet. Aber das behauptete sie schon beim Kurs von 1.45 zum Euro und kaufte damals kurzerhand innerhalb weniger Wochen für rund 200 Milliarden Franken Euro ein.
Die SNB beruft sich immer wieder auf die Theorie der sogenannten Kaufkraft-Parität. Gemäss dieser Theorie bedeuten hohe Preise eine überbewertete Währung. Das Gegenteil trifft zu: Eine schwache Währung führt zu steigenden Preisen, nicht eine starke. Der Franken ist somit unterbewertet.
Ich fasse zusammen. Der Franken befindet sich weiterhin in seinem Jahrzehnte andauernden Aufwärtstrend. Dieser Aufwärtstrend ist realwirtschaftlich begründet in der starken Wirtschaft und somit erwünscht.
Es ist keine Trendumkehr in Sicht und auch nicht erwünscht. Wir wollen ja eine starke Wirtschaft und nicht eine schwache – nicht wahr?
Es gibt keinen Grund, weshalb sich der durchschnittliche Aufwärtstrend des Frankens der letzten Jahrzehnte gegenüber allen wichtigen Währungen in einen Abwärtstrend umkehren sollte. Der Franken bleibt weiterhin unterbewertet. Er wird weiterhin steigen.
Die SNB kann diesen langfristigen Aufwärtstrend des Frankens, den wir wollen, auch nicht umkehren, wenn sie pro Tag eine Milliarde dagegen aufwirft, aus dem Fenster wirft. Dieser Betrag ist gigantisch für die Schweiz aber zu klein im weltweiten Währungsgefüge.
Die SNB kann wohl auf kurzfristige Sicht den Euro künstlich hoch halten und den Franken schwächen. Der 15. Januar 2015 hat deutlich bewiesen, dass die Korrektur durch den Markt früher oder später aber dennoch zuschlägt.
Wir können abschätzen, dass die SNB den Wechselkurs des Frankens knapp 5 Jahre konstant halten kann, und dass dieser dann schlagartig um 10 Prozent nach unten korrigiert. So war das in etwa beim Scheitern des Mindestkurses der Fall.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt können wir also abschätzen, dass der Franken ohne Interventionen der SNB knapp 5 Prozent höher notieren würde. Daraus folgt, dass die Devisen im Portefeuille der SNB gegenwärtig schätzungsweise 5 Prozent überbewertet sind.
Die Folgen davon sind, dass die SNB-Devisenbestände von rund 700 Milliarden gegenwärtig um rund 35 Milliarden zu hoch bewertet sind. Das heisst, anstatt einen künstlichen Buchgewinn von 24 Milliarden sollte die SNB viel eher einen Verlust von rund 11 Milliarden Franken ausweisen.
Die SNB besitzt nicht „stille Reserven“ – sie besitzt „stille negative Reserven“, man kann sagen: „stille Verluste“.
Ginge man davon aus, dass die SNB Stützungskäufe den Euro statt nur um 5 um 10 oder sogar um 20 Prozent unterstützen, was SNB-Befürworter und der SNB-Aktivismus suggerieren, so würde das bedeuten, dass die SNB „versteckte Verluste“ von 70 bis 140 Milliarden in ihrer Bilanz hätte.
Das Eigenkapital der SNB ist in diesem Fall weg. Ein Sturz der Eigenkapitalquote von über 50 Prozent auf praktisch null innert weniger Jahre. Die SNB – ein Sanierungsfall.
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