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Schuld an der Steuerklatsche sind die honorigen Ökonomen

Sieben Bundesräte, das Parlament, alle Finanzdirektoren und alle Wirtschaftsverbände waren für die Steuerreform. Millionen wurden in den Abstimmungskampf investiert. Trotzdem ging die geplante Steuerreform III mit rund 60 Prozent bachab. Ein klareres Misstrauensvotum kann man sich kaum vorstellen. Das Volk ist seiner Regierung nicht mehr gefolgt. Wo liegen die Gründe?

 

Ganz klar: Der breite Mittelstand denkt immer mehr mit. Angstmacherei und Slogans wie „Verlust der Arbeitsplätze“ „Druck aus dem Ausland“ oder „tiefere Steuern führen zu höheren Steuereinnahmen“ und dergleichen werden hinterfragt – und das ist gut so. Den Befürwortern mangelte es an einfachen, logischen und nachvollziehbaren Argumenten.

Allzu durchschaubar war, dass viele Unternehmen und ihre Lobbyisten in Bern versuchten, die Unternehmenssteuerreform III für ihre eigenen Zwecke zu missbrauchen. Verstecktes Ziel war es, eine allgemeine Steuersenkungsrunde zugunsten der Unternehmen und zulasten des arbeitenden Mittelstandes einzuläuten (siehe „Steuerreform holt sich das Geld dort, wo sich keiner wehrt – beim arbeitenden Mittelstand“).

Das misslang gründlich.

Die grösste Schuld an der schweren Niederlage der „classe politique“ trägt jedoch die heutige Wirtschaftswissenschaft. Aufgabe der Volkswirtschaftslehre wäre es, den Politikern klare und einfach verständliche Wege aufzuzeigen, wie eine optimale Fiskalpolitik auszusehen habe.

An einer solchen Theorie könnten sich die Politiker einfach orientieren und ihre Überlegungen und Beweggründe der Bevölkerung einleuchtend erklären.

Stattdessen ist die Nationalökonomie auf dem Niveau vergangener Jahrzehnte und sogar Jahrhunderte stehengeblieben. Die Volkswirtschaftslehre besteht immer noch überwiegend aus veralteten und verstaubten Irrlehren, die niemand mehr ernsthaft glauben kann. Sie ist kompliziert bis zum „Geht-nicht-mehr“.

Es ist unmöglich für die Politiker, aufgrund der heutigen Nationalökonomie sich zu orientieren und ihre Entscheide dem Volk verständlich zu kommunizieren. Das hat der Abstimmungskampf deutlich gezeigt.

Die Gegner konnten auch nicht wirklich eine Lösung aufzeigen. Sie konnten aber deutlich machen, dass die Vorlage unverständlich war und überarbeitet werden muss. Wenigstens das leuchtete ein. Deshalb gewannen sie.

Sowohl die heutige Geldpolitik als auch Fiskalpolitik sind unglaubwürdig und unverständlich. Slogans wie beispielsweise: „Tiefere Steuern führen zu höheren Steuereinnahmen“ oder „Staatsausgaben kurbeln über einen Multiplikator die Wirtschaft um ein Vielfaches“ oder „der Staat soll antizyklisch handeln“ oder „der Staat soll gar nichts machen“ und dergleichen sind einer modernen Wissenschaft unwürdig.

Sie erinnern an Behauptungen der früheren Medizin wie beispielsweise, einem Kranken soll ein Blutegel an die Adern gelegt werden (Aderlass). Oder der Wochenbetttod der Frauen bei der Geburt sei auf eine zu hohe Luftfeuchtigkeit zurückzuführen und dergleichen. Es ist einfach erbärmlich, in welch primitivem Zustand sich die heutige Volkswirtschaftslehre befindet.

Das gilt auch für die Geldtheorie, wo behauptet wird, eine Zentralbank könne „Geld aus dem Nichts schaffen“, oder „die Zentralbank gewährt bei der Geldschöpfung den Banken einen Kredit, der über einen Multiplikator an die Wirtschaft weitergegeben wird“, oder eine Zentralbank sei „lender of last resort“ und dergleichen Unfug.

Geldtheorie und Fiskaltheorie sind im gleichen Spital krank. Sie führen zu irriger Fiskal- und Geldpolitik. Die Irrlehren in der Volkswirtschaftslehre öffnen der Misswirtschaft Tür und Tor. Die Zeche bezahlt dann die hart arbeitende Bevölkerung. Die aber glaubt nicht mehr alles und wehrt sich.

Will man eine solche Vorlage glaubhaft vors Volk bringen, so muss man tiefgreifende Analysen anstellen: Es muss beispielsweise zuerst untersucht werden, inwiefern die betreffenden Unternehmen die Schweizer Infrastruktur benutzen und deshalb mitzutragen haben.

Dann ist auf die Frage einzugehen, welchen „added-value“ diese Unternehmen der Schweizer Volkswirtschaft per Saldo bringen. Es ist zu untersuchen, inwiefern die betreffenden ausländischen Unternehmen die Produktivität der Schweiz verbessern. Wie viele Arbeitsplätze werden durch sie geschaffen?

Handelt es sich bei den zusätzlich Angestellten um Arbeitskräfte, welche die ausländischen Unternehmen selber aus dem Ausland mitbringen, oder handelt es sich um Arbeitskräfte, welche hier ohne Arbeit sind und deshalb angewiesen sind auf die zuwandernden ausländischen Unternehmen?

Oder anders gefragt: Wenn die Unternehmen wegziehen, wie von den Befürwortern befürchtet, nehmen diese dann ihre Angestellten mit oder bleiben diese hier als Arbeitslose zurück?

Ferner muss gefragt werden, wie die Steuergelder verwendet werden: zweckgebunden oder zweckentfremdet? Kann man mit den eingenommenen Steuergeldern die gesamtwirtschaftliche Produktivität verbessern oder wird sie dadurch verschlechtert?

Die Frage, ob die Infrastruktur nicht billiger angeboten werden kann und deshalb die Steuern gesenkt werden könnten, ist ebenfalls zu untersuchen. Solche und ähnliche Fragen blieben im Abstimmungskampf unbeantwortet.

Im Vorfeld einer dermassen wichtigen Vorlage hat eine umfassende volkswirtschaftliche Analyse zu erfolgen. Es sollten Modelle für verschiedene Szenarien pfannenfertig in der Schublade liegen. Es gibt unzählige Fragen und entsprechende Lösungen aufzuzeigen.

Leider hat die heutige Volkswirtschaftslehre aber nichts dergleichen zu bieten. Das einzige was sie bietet sind verstaubte und irreführende Slogans. Diese werden von den Politikern halbpatzig übernommen und irgendwie zurechtgebogen.

So blieb beispielsweise während der ganzen Kampagne auch unbeantwortet, wie der Bund die Steuerausfälle der Kantone finanzieren will. Eine einfache aber wichtige Frage. Ja man wusste nicht einmal, ob es überhaupt zu Steuerausfällen kommt und wie hoch diese sein werden.

Es herrschte ein vollkommenes Durcheinander. Der Wahlkampf war eine pitoyable Vorstellung der Nationalökonomen. Die teuren Forschungsgelder für die wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten an den Universitäten haben bislang nichts gebracht.

An den Universitäten vertrödelt man die Zeit lieber mit schwersten Mathematikprüfungen, um die Studierenden zu „sieben“. Viel gescheiter wäre es, einmal Feldforschung zu betreiben und moderne und einleuchtende Lösungen zu präsentieren.

Anstatt die Studenten mit schwersten Mathematikprüfungen zu malträtieren, wäre es viel gescheiter, selbständig denkende und kritische junge Menschen heranzubilden, welche einmal fähig sein werden, selbständige Analysen zu erarbeiten. Aber nein. Es ist einfacher, Menschen aufgrund nutzloser und komplizierten Rechnungsaufgaben zu „verheizen“. Das Bologna-System schadet.

Es wäre schon viel gewonnen, wenn man sich zumindest einmal über die Vorzeichen klar würde, anstatt komplizierte Rechnungen anzustellen. Aber nicht einmal das können die Volkswirtschaftler. Steigen die Steuereinnahmen oder fallen sie? Aktiven und Passiven werden miteinander verwechselt und so weiter und so fort. Alles wird miteinander verwechselt. Liederlichkeit, wohin das Auge schaut.

Es herrscht eine unheilige Allianz zwischen Politikern und Volkswirtschaftlern. Letztere lassen sich von ersteren einspannen, um gefällige Gutachten zu erstellen. Umgekehrt sollte es sein: Die Nationalökonomen sollten unabhängige, verantwortungsvolle und tiefgreifende Forschung betreiben, um den Politikern verständliche und einleuchtende Lösungen aufzuzeigen.

Das Debakel der Steuerreform ist in erster Linie ein Debakel der Nationalökonomen.

 

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Marc Meyer
Together with the professor Hans Geiger and Lukas Hässig, Dr Marc Meyer is the biggest opponent of the Swiss National Bank. Analogously to Macbeth's three witches, George Dorgan called them the three Swiss sorcerers that fight against the seemingly unlimited power of central banks.
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