Die kommende Abstimmung über die Unternehmenssteuerreform III führt uns einmal mehr vor Augen, wie hoch komplex diese Materie ist. Ein „Normalsterblicher“, also jemand, der sich nicht von Berufes wegen mit Steuerfragen auseinandersetzt, dürfte mit den Abstimmungsunterlagen masslos überfordert sein. Ja, selbst Ökonomen, die Fragen zur Besteuerung studiert haben, dürften bald am Ende ihres Lateins sein.
Kommt hinzu, dass die Volkswirtschaftslehre – in der Fiskaltheorie genauso wie in der Geldtheorie – ein Wirrwarr von Irrlehren präsentiert, die keineswegs weiterhelfen, sondern im Gegenteil nur verwirren.
Da ist beispielsweise von „zyklischer“ oder „antizyklischer“ Fiskalpolitik die Rede: In einer Wirtschaftskrise soll der Staat die Steuern anheben und mit den zusätzlichen Steuereinnahmen die Wirtschaft ankurbeln. In der Hochkonjunktur soll er dann wieder das Gegenteil tun.
Ja sogar von einem sogenannten phantastischen „Multiplikator“ ist die Rede: Staatsausgaben würden sich um ein Vielfaches positiv auf die Wirtschaft auswirken. Es sei sogar möglich, dass der Staat „Löcher auf- und wieder zubuddeln“ lassen könne – selbst das würde die Wirtschaft ankurbeln, wird behauptet.
Das ist ein Unsinn. Solche keynesianischen Theorien gehören ins Märchenland – genauso wie der keynesianische „Geldschöpfungsmultiplikator“, dem unsere Nationalbank huldigt.
Auf der anderen Seite sind die monetaristischen Behauptungen aber genauso Irrlehren: Der Staat solle überhaupt nichts tun. Selbst die Strassen sollten privatisiert werden. Die Arbeitslosigkeit würde sich durch die Marktkräfte von selbst beseitigen, wird da behauptet.
Dass hier der gravierendste Irrtum der Volkswirtschaftslehre überhaupt liegt, habe ich in meinem Beitrag „Wieviel Staat? Der Hauptfehler der Nationalökonomie“ aufgezeigt.
Gefragt ist also einmal mehr – in der Fiskalpolitik genauso wie in der Geldpolitik – Augenmass und ein gesunder Menschenverstand. Das ist nicht schwer.
Ausgangslage der vorgesehenen Unternehmenssteuerreform III soll der Druck des Auslandes (EU, OECD) auf die Schweiz sein, dass es hierzulande Unternehmen gäbe, die steuerlich begünstigt würden, sofern sie einen hohen Auslandbezug hätten.
Konkret soll das bedeuten, dass die Schweiz ausländischen Unternehmen Steuergeschenke macht, wenn sie ihren Sitz in die Schweiz verlegen. Das ist tatsächlich ein „No-Go“. So versucht die Schweiz, dem Ausland Unternehmen „abzujagen“. Dass das Ausland dagegen opponiert, ist nur logisch.
Lockvögel sind verboten und grundsätzlich abzulehnen. Das gilt auch besonders für uns demokratiebewusste Schweizer.
Wenn bei uns Demokraten ein Grundsatz gilt, so ist es jener der Gleichberechtigung. Es ist grundsätzlich falsch, ein Unternehmen steuerlich gegenüber einem anderen zu begünstigen – nur weil es ausländisch ist und um es hierher zu holen.
Das wäre vergleichbar, als würde man den Ausländern grundsätzlich höhere oder tiefere Löhne bezahlen; oder man würde einem ausländischen Kind von vornherein in der Schule bessere Noten geben.
Aus der Gleichberechtigung kann aber keinesfalls geschlossen werden, dass alle denselben Lohn erhalten oder dass alle Schüler dieselben Noten erhalten müssen. Das wäre kontraproduktiv und würde die Anreize beseitigen, was der Produktivität wiederum schaden würde.
Lohn, Noten und Steuern sollten individuell berechnet und festgelegt werden. Generelle Steuergeschenke sind tabu, genauso wie generelle Steuerbelastungen.
Wenn es darum geht, über Fiskalpolitik die Wirtschaft anzukurbeln, so gibt es nur eine Regel:
Der Staat muss die Steuergelder, die er eingezogen hat, produktiver einsetzen, als dies die Privatwirtschaft getan hätte, wenn sie die Steuern nicht hätte bezahlen müssen.
Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Wenn ein Unternehmen eine Million an den Staat als Steuern abliefern muss und deshalb eine geplante Investition nicht tätigen kann, so kostet dies möglicherweise zehn Arbeitsstellen.
Wenn nun der Staat mit dieser Million fünfzehn Arbeitsplätze schafft, so ist die Besteuerung gerechtfertigt. Schafft der Staat mit dieser Million aber nur fünf Arbeitsstellen, so ist diese Besteuerung nicht gerechtfertigt.
Die gesamtwirtschaftliche Produktivität darf durch die Besteuerung nicht verschlechtert werden, sondern sie muss diese verbessern. Es kann also durchaus Sinn machen, Gelder in Form von Steuern zusammenzulegen, wenn damit eine bessere gesamtwirtschaftliche Produktivität erzielt wird.
In der Fachsprache ausgedrückt: Der Grenznutzen der staatlichen Investitionen muss grösser sein als der Grenznutzen der privaten Investitionen. Nur dann ist die Besteuerung sinnvoll.
Grenznutzen bedeutet der Nutzen jeder zusätzlichen Einheit. Also beispielsweise der Nutzen der letzten investierten Million des Staates oder des besteuerten Unternehmens.
Was heisst das nun in Bezug auf die Unternehmenssteuerreform III?
Zuerst sei einmal festgehalten, dass die Angleichung der Steuern nicht heissen kann, dass die Steuern für die inländischen Unternehmen gesenkt werden, um diese an die tieferen Steuern der ausländischen Unternehmen anzugleichen.
Umgekehrt müssten, wenn schon, die Steuern der ausländischen Unternehmen angehoben werden auf das Niveau der inländischen Unternehmen.
Es kann auch nicht sein, dass man die Steuern für die inländischen Unternehmen senkt und die so entgangenen Steuergelder über andere Steuern wieder einzieht. So bezahlt einfach wieder ein anderer für die entgangenen Steuergelder – einer, der sich weniger gut wehren kann.
Die vorgesehene Unternehmenssteuerreform III erinnert an ein grosses Flickwerk. Die oberste Maxime scheint dabei zu lauten, dass man das Geld einfach dort holt, wo am wenigsten Widerstand zu erwarten ist – bei der hart arbeitenden Mittelschicht.
Die Unternehmenssteuerreform würde unweigerlich bedeuten, dass die Einkommensteuern für die hart arbeitende Mittelschicht steigen.
Die Frage nach der optimalen Besteuerung muss grundsätzlich neu aufgerollt und beantwortet werden.
Jede Gemeinde, jeder Kanton und jeder Staat muss das Recht haben, seine Infrastruktur so effizient zu gestalten, dass diese möglichst wenig kostet. Gelingt das, so folgt daraus, dass die Steuern entsprechend gesenkt werden dürfen und sollen.
Genauso wie in der Privatwirtschaft nur ein effizient arbeitendes Unternehmen überleben kann, sollten die öffentlichen Haushalte auch eine möglichst hohe Effizienz aufweisen und diese an die Einwohner weitergeben.
Wenn ein privates Unternehmen Kunden anlocken kann, weil es produktiv und günstig produziert, so ist das volkswirtschaftlich erstrebenswert.
Dasselbe gilt für den Staat: Gelingt es einer Gemeinde, einem Kanton oder einem Staat, effizient zu sein und deshalb die Steuern zu senken, so dass Einwohner zuwandern, so ist das legitim. Nachbarstaaten dürfen sich dann nicht beschweren, sondern sollen lieber ihre eigene Effizienz verbessern und ihre eigenen Steuern senken.
Steuern zu senken aufgrund einer verbesserten staatlichen Effizienz ist gut. Steuern zu senken als „Lockvogel“ auf dem Buckel anderer ist schlecht.
Bei der Besteuerung von Unternehmen ist also die Verbesserung der volkswirtschaftlichen Produktivität die entscheidende Maxime.
Einerseits muss der Staat mit den erhobenen Steuereinnahmen höchst effizient umgehen.
Andererseits sollen die Unternehmen gemäss ihrer Produktivität besteuert werden: Je produktiver ein Unternehmen arbeitet und je weniger es unsere Infrastruktur in Anspruch nimmt, desto tiefer sollen seine Steuern sein.
Entscheidend ist der Grenznutzen: der Nutzen der letzten investierten Geldeinheit des Unternehmens und des Staates. Wenn der Staat effizienter arbeitet als das Unternehmen, so ist eine Höherbesteuerung gerechtfertigt. Arbeitet das Unternehmen effizienter als der Staat, so sollen seine Steuern gesenkt werden.
Die Unternehmenssteuerreform III ist lediglich ein weiteres Konstrukt, basierend auf irrigen Fiskaltheorien. Die Besteuerung sollte nicht mehr wie bis anhin auf dem Prinzip „Lockvogel“ und „geringster Widerstand“ basieren.
Viel besser wäre es, die Unternehmensbesteuerung auf die Erzielung der höchsten gesamtwirtschaftlichen Produktivität auszurichten.
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