Am 7. Februar hat George Dorgan eine Präsentation bei den Jungfreisinnigen Zürich gehalten. Themen waren die weitere Entwicklung des Frankens, die Schweizer Wirtschaft, die SNB und die Auswirkungen der Gold- und Masseneinwanderungsinitiativen.
Inhaltsverzeichnis
Teil 1 (dieser Blogeintrag)
Abschnitt 1a: CHF, der Franken: Fairer Wert
Abschnitt 1b: Die Schweizer Wirtschaft im Vergleich
Teil 2:
Abschnitt 2a: Die Schweizer Nationalbank (SNB)
Abschnitt 2b: Was die SNB, Medien und Banken über den Franken denken
Teil 3:
Abschnitt 3a: Das Gold-Referendum und die SNB Gold- und Devisenreserven
Abschnitt 3b: Inflation, die SNB und das Referendum gegen die Masseneinwanderung
Teil 1: CHF und Schweizer Wirtschaft
Im folgenden ersten Teil äussern wir unsere Erwartungen über die Schweizer und die Weltwirtschaft und den Schweizer Franken. Alle Grafiken können angeklickt und vergrössert werden. Unter jeder Grafik steht wieder ein verlinkter Artikel unseres Blogs, der die Informationen wieder verdichtet.
Abschnitt 1a: CHF, der Franken: Fairer Wert
Die folgende Grafik der Nationalbank zeigt, dass der Franken im Herbst 2013 verglichen mit 1999 ca. 7.5% überbewertet war. Sie widerspiegelt die jährlichen Veränderungen der Schweizer Produzentenpreise und des Frankens verglichen mit den Produzentenpreisen und Währungen der Handelspartner. Obwohl der Franken seit 1999 nominal stark gestiegen ist, bewirkt die niedrige Schweizer Inflation, dass er real (inflations-bereinigt) nur 7.5% höher ist. Fragen, die sich stellen sind:
- War CHF 1999 fair bewertet oder vielleicht unterbewertet, weil damals der Dollar stark und der Franken schwach war? Insbesondere auch, weil die Schweiz durch das Platzen der Schweizer Immobilienblase ein paar Jahre vorher geschwächt war?
- Seit 1999 ist die Schweizer Bevölkerung von 7 auf 8 Millionen gestiegen, eine Steigerung um 13%.
Die Methode der Inflationsabzinsung anhand von Produzentenpreisen ist diejenige, die vom IWF, Zentralbanken und den meisten Ökonomen angewandt wird, da nur diese den globalen Wettbewerbsvergleich für handelbare Güter erlauben (Der Big Mac Index z.B. widerspiegelt kein handelbares Gut). Im Vergleich der ETH/KOF (siehe Grafik) werden andere Methoden für den Euro-Franken-Kurs vorgestellt.
Dabei fällt der grosse Unterschied zwischen Produzentenpreisen und Konsumentenpreisen auf. Dies könnte auf hohe Margen der Schweizer im Vergleich zu deutschen Produzenten hindeuten (Ein Fall für den Preisüberwacher). Wie unschwer zu erwarten, ist die Schweiz am teuersten, wenn man Lohnstückkosten (Unit Labor Costs, ULC) betrachtet. Lohnstückkosten sind aber nur ein Teil der Wettbewerbsfähigkeit.
Im nächsten Graph versucht die NZZ auf dieser (weniger als halbrichtigen) Basis die Notwendigkeit des Mindestkurses 2011 zu untermauern: Die Lohnstückkosten in Franken sind von 2000 bis 2011 so stark wie die in Griechenland gestiegen.
Pictet Long-term graph EUR/CHF
(see more posts on EUR/CHF, )Für uns ist die langjährige Schweizer Erfolgsgeschichte auf folgende Faktoren zurückzuführen:
- Hohe Sparraten, daher hohe Verfügbarkeit von Kapital, die Investitionen ermöglichen.
- Niedrige Steuern und Abgaben, die erlauben, dass z. B. Produktionskosten weniger steigen als im Ausland.
- Dank Investitionen und einem kleinen Lande, eine sehr gute Infrastruktur, die Länder wie die USA nicht zu bieten haben.
- Effektive Administration, relativ wenig Korruption.
- Weniger Ferien, längere Arbeitszeiten, so gut wie nie Streiks.
- Der wohl wichtigste Grund ist aber die andauernde Immigration, die dem Land immer wieder für Schweizer Verhältnisse billige Arbeitskräfte zuführt. Während bis zu den 90iger Jahren dies oft weniger qualifizierte ehemalige Saisonarbeiter waren, nahm der Anteil der Höherqualifizierten ab Ende der 90iger zu. Ob die Bilateralen der Grund waren oder vielleicht doch eher die damalige Wirtschaftsschwäche Deutschlands und der “Bargaining Power” der Schweizer Firmen/Steuersystems im Kampf um hoch qualifizierte Arbeitskräfte von überall, sei dahin gestellt.
Insbesondere Punkt 5 und 6 führten zu meist niedrigeren Lohnsteigerungen als in den Nachbarländern und machten z.B. Schweizer Aktien und ihre Profite für Investoren weltweit interessant. Aufgrund dieser Punkte stieg der Franken seit 1973 durchschnittlich um 0.4% pro Jahr. Pictet zeigt in der Grafik, dass er momentan nur 2.5% über diesem langfristigen Trend liegt.
Abschnitt 1b: Die Schweizer Wirtschaft im Vergleich
Seit den achtziger Jahren sind die Kaufkraft-bereinigten Löhne in den Vereinigten Staaten nahezu gleich geblieben. Dank des starken Frankens und niedriger Inflation waren Schweizer Lohnsteigerungen meist real positiv. Mit den real stagnierenden Löhnen in den USA stiegen aber die Profite der US-Firmen und der Firmen weltweit. Mit dem Aufstieg Chinas intensivierte sich diese Tendenz, in der Phase der Great Moderation von 2000 bis 2008 blieb auch die US-Inflation niedrig, der Häuser-Boom setzte ein. Die Sparrate der US-Haushalte sank auf 2%, viel weniger als in den anderen Ländern. Dies bewirkte aber, dass die Great Moderation effektiv ein Vermögenstransfer von den US-Haushalten zu japanischen, chinesischen, deutschen, russischen, Schweizer und teilweise amerikanischen Firmen war. Unternehmer insbesondere in Asien wurden reicher, Schweizer Banken und Unternehmen profitierten enorm. Während in Amerika viel zu wenig investiert wurde, waren die Investitionen in den Schwellenländern, insbesondere in China, extrem hoch. Investionen halfen, die steigenden Lohnkosten im Griff zu behalten, waren aber ein Risiko für Liquidität.
Der Schweizer Ertragsbilanzüberschuss stieg von 3% des BIP im Jahr 2000 auf zuletzt knapp 14%. Mit dem Überschuss wurde auch der Franken gegenüber dem Dollar stärker. Eine Ausnahme war die Periode von 2004 bis 2007, als extremer Optimismus bewirkte, dass Kredite in Franken aufgenommen wurden und in Euro, Dollar und in Schwellenländern angelegt wurden, um von höheren Zinsen zu profitieren, Immobilien zu finanzieren oder (z.B. Schweizer Firmen) weltweit zu expandieren. Dies war die Phase des sogenannten “Carry Trade”, die auch spekulative Wetten gegen Franken oder Yen beinhalteten.
Die Welt nach der Finanzkrise
Seit der Finanzkrise hat sich die Welt verändert. Der Franken hat nach der Schwäche wieder stark aufgewertet. Gründe waren:
- Die Schweiz erwirtschaftet weiterhin sehr hohe Ertragsbilanzüberschüsse. Die Firmen behalten aber die Gewinne teilweise in Franken und Schweizer Anlagen, statt sie wieder im Ausland zu investieren.
- Schweizer haben Vermögen im Ausland in die Schweiz repatriiert und in Franken und CHF-Anlagen getauscht.
- Ausländer haben Schweizer Vermögenswerte, insbesondere Aktien und Immobilien gekauft. Schweizer Anlagen bieten mehr Sicherheit und wachsen trotzdem – dank der globalen Ausrichtung der Schweizer Wirtschaft.
- Ausländische Kreditnehmer haben ihre Frankenkredite vorzeitig zurückgezahlt oder den Kredit in lokale Währung umgestellt und die Franken zurückbezahlt.
- Spekulanten haben ihre Wetten gegen den Franken eingestellt und zeitweise sogar auf den Franken gewettet.
- Immigration. Dabei zählt insbesondere für vermögende Einwanderer die steuerlich bessere Situation.
Mit der Krise haben die Amerikaner mehr zu sparen und ihr Handelsdefizit abzubauen. China und andere Schwellenländer haben starke Lohnsteigerungen erlebt und konsumieren mehr. Ähnlich wie in den 1970igern im Westen, profitieren momentan in den Entwicklungsländern mehr die Lohnempfänger vom Wachstum als die Unternehmer. Der Schweizer Überschuss in Ertrags- und Handelsbilanz ist aber ungefähr gleich geblieben. Die Schweizer Handel profitiert mehr und mehr von Schwellenländern, wie dem Mittleren Osten, Hongkong, Russland, Indien und Brasilien. Es wird deutlich, dass die Phase von 2009 bis 2012 eine teilweise Wiederholung des Carry Trades und Boomphase von 2004 bis 2007 war, diesmal auf der Basis von billigen US-Dollars, die Fehlreize und zu hohes Lohnwachstum in den Schwellenländern erzeugt hat.
Viele Investoren haben zu stark auf Schwellenländer gesetzt. Die Türkei, Südafrika, Indien, Indonesien und teilweise Brasilien haben mittlerweile chronische Ertragsbilanzdefizite, die Währungen sind stark gefallen. Verbraucher in Europa und teilweise den USA haben ihre Sparrate wieder erhöht und die Exporte der Schwellenländer geschwächt. Weniger billiges Geld von der Fed, eine schwache Währung und daher steigende Inflation wird letztere aber ebenfalls zum Sparen zwingen. Das weltweite Wachstum wird mit der Schwäche dieser ehemaligen “Wachstumslokomotiven” trotz der Beteuerungen der G20 stark beinträchtigt.
Im wesentlich dank der stärkeren Einwanderung ist seit der Finanzkrise das Schweizer reale BIP mehr als das der USA gewachsen. Allerdings hat die Schweiz auch ein um 0.2% niedrigeres natürliches Bevölkerungswachstum. Dass die Schweizer Firmen eine so hohe Zahl von neuen Arbeitskräften aufnehmen können und sie gleichzeitig hohe (Handels-) überschüsse erzielen, zeigt, dass die 1.20 zum Euro eher ein Durchschnittkurs oder fairer Wert als ein langfristig haltbarer Mindestkurs ist.
Die Netto-Vermögensposition der Schweiz hat sich trotz wieder stärker gewordenem Franken von 120% auf 150% des BIP gesteigert, die der USA ist weiterhin gefallen. Der wesentliche Grund sind, genau wie bei Deutschland, hohe Sparraten und Ertragsbilanzüberschüsse.
Nachdem 2007/2008 die Boomphasen Südeuropas und der USA, und in 2012 die Boomphasen der Schwellenländer durch Bust-Phasen abgelöst sind, ist es nun aber Zeit zu boomen für die Länder, die vorher soviel gespart haben: nämlich Deutschland und die Schweiz. Aufgrund der niedrigen Arbeitslosigkeit und der weiterhin hohen Margen der deutschen und Schweizer Firmen erwarten wir, dass Löhne in den nächsten Jahren mehr als anderswo steigen, insbesondere mehr als in den USA, wo viele Menschen immer noch Schulden abbauen und die fallende Beteiligung am Arbeitsmarkt den Druck auf Steigerung der Löhne nimmt.
Dieser Boom wird allerdings durch global schwaches Wachstum gebremst werden. Mehr zum starken Zusammenhang zwischen deutscher und Schweizer Wirtschaft, hier. Für Investoren und Devisenalgorithmen gilt die Schweiz trotz SNB-Untergrenze als “Über-Deutschland”, eine Steigerung des deutschen Commitments zu Preisstabilität.
Im nächsten Blogeintrag: Teil 2: Die Schweizer Nationalbank und was SNB, Medien und Banken über den Franken denken.
Da dieses deutsche Angebot relativ wenig genutzt wurde und die Website-Besucher weiterhin die Englisch-sprachigen Einträge benutzt haben, hier nur die Slides für Teil 1 bis 3.