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Philipp Hildebrands Coup: Gratisgeld für EU-Bürger

Vergangene Woche stellte Philipp Hildebrand, der frühere Präsident des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank (SNB), nun Vize-Präsident von Blackrock, auf Bloomberg ein Positionspapier vor.

Verfasst hat er dieses zusammen mit anderen Autoren wie Stanley Fischer, ehemaliger stellvertretender Vorsitzender der US Federal Reserve (FED).

Hildebrands Vorschlag: Geld- und Fiskalpolitik sollen miteinander verschmelzen. Den Bürgerinnen und Bürgern soll Geld direkt zugeteilt werden. Die Europäische Zentralbank (EZB) soll diesbezüglich eine Vorreiterrolle spielen – Christine Lagarde sei geradezu ein Glücksfall dafür.

Schon einmal hat Philipp Hildebrand in die Tasten gegriffen und damit einiges ausgelöst. „Die Chance zum Wandel nutzen“, lautete ein ganzseitiger Artikel des Schweizers im Sommer 1996 in der Finanz und Wirtschaft.

Dieser erschien damals wenige Monate nach meinem ganzseitigen Artikel auch in der Finanz und Wirtschaft mit dem Titel „Die SNB-Investitionspolitik ist zu überdenken“.

Während ich argumentiert hatte, die SNB solle vermehrt im Inland investieren, wenn sie die Schweizer Wirtschaft ankurbeln wolle, hatte Hildebrands Artikel drei Stossrichtungen.

Erstens: Der Titel „Die Chance zum Wandel nutzen“ bezog sich auf den Wechsel in der Direktion der SNB. Damals trat der damalige Präsident der Direktion der SNB, Markus Lusser, zurück. Hans Meyer, vorher Vize-Präsident, wurde dessen Nachfolger.

Bruno Gehrig wurde in die Direktion berufen, mit der Hoffnung, später an Jean-Pierre Roth vorbei Präsident zu werden, was nicht gelang. So kam Hildebrand in der Folge selber zum Handkuss.

Hildebrands Titel in der Finanz und Wirtschaft, „Die Chance zum Wandel nutzen“, bezog sich also auf diesen personellen Wechsel und schmeichelte natürlich dem neuen Direktorium und insbesondere „Newcomer“ Bruno Gehrig. Prompt lud Gehrig Hildebrand gemäss Presseberichten zum Essen ein und stellte ihm einen Posten im SNB-Direktorium in Aussicht.

Die zweite Stossrichtung von Hildebrand war der Vorschlag, den Gewinn der SNB zu maximieren, und zwar durch hochriskante „Currency Carry Trades“. Die SNB solle in der Schweiz vom günstigen Zinsniveau profitieren und hierzulande Kapital aufnehmen. Dieses solle dann in Deutschland hochverzinslich angelegt werden.

Damit bewies Hildebrand, dass er Sinn und Zweck der SNB nicht verstanden hatte (siehe meinen Beitrag: „Hildebrand hatte SNB nicht verstanden: Sie muss zugunsten eigener Wirtschaft investieren“).

Mit dem Rat, den Gewinn der SNB zu maximieren, machte er sich beim neuen Direktorium gerade nochmals beliebt, weil damit eine grössere Machtfülle verbunden war.

Die dritte Stossrichtung Hildebrands lag darin, dass eine Gewinnmaximierung der SNB beim Volk gut ankommt. Welches Volk möchte nicht gerne weniger Steuern zahlen, weil die Zentralbank hohe Gewinne erwirtschaftet?

Das Resultat des Vorstosses von Hildebrand kennen wir heute zur Genüge. Die SNB hat über 700 Milliarden Schulden, und es ist nicht erkennbar, wie sie aus diesem Schlamassel herauskommt.

Hildebrands jetziger Vorschlag hat dieselbe Handschrift und weist wieder dasselbe Muster auf wie damals. Erstens: Das Volk soll in den Genuss von Gratisgeld der Zentralbank kommen.

Die Zentralbanken sollen sogar direkt Geld an die Haushalte auszahlen. Das kommt gut an bei den Bürgern. Siehe dazu auch die ähnliche Umfrage von Cash letzte Woche.

Zweitens: Die EZB soll eine weit grössere Machtfülle erhalten, da Fiskal- und Geldpolitik mehr oder weniger vereint werden sollen. Das gefällt der EZB-Führung.

Und drittens schmeichelt Hildebrand der nominierten neuen Chefin der EZB Christine Lagarde. Das könnte Hildebrand Tore öffnen wie damals bei der SNB-Direktion. Wer weiss, vielleicht führen wir den Euro ein – früher als man denkt. Grösster Euro-Investor sind wie ja bereits.

Und nun zum Fachlichen. Was ist vom Vorschlag zu halten, die Zentralbanken sollen Geld direkt an die privaten Haushalte und Unternehmen auszahlen?

Eine einzige Frage reicht, um diesen Vorschlag als unrealistische Träumerei zu entlarven. Philipp Hildebrand soll doch bitte einmal aufzeigen, wie denn die Zentralbanken direkte Geldzahlungen an die Haushalte verbuchen sollen?

Hat Hildebrand in seinem Leben je einen Buchungssatz erstellt? Ich bezweifle es. Wie sonst kommt er auf eine solch abstruse Idee?

Sobald wir buchhalterisch analysieren, erkennen wir, dass Hildebrands Vorschlag nicht durchführbar wäre – ausser möglicherweise im absolutistischen Kommunismus.

Wollte die EZB Geld an die Haushalte direkt verteilen, so müsste die Notenbank dieses Geld in einem ersten Schritt zuerst drucken. Die EZB besässe dann Geld respektive einen Kassabestand auf ihrer Vermögensseite, der Aktivseite. Auf ihrer Passivseite würde sie als Gegenbuchung Eigenkapital verbuchen.

Das wäre vergleichbar mit einem Geldfälscher, der in einem Hinterhof „Geldblüten“ druckt. Dieser verbucht zuerst auch einen Bestand in der Kasse auf der Vermögensseite (Aktivseite), und auf der Gegenseite (Passivseite) verbucht er Eigenkapital.

Ein Uhrendieb verbucht auf der Vermögensseite die Uhr und als Gegenbuchung „Eigenkapital“. Das heisst, die Uhr gehört jetzt ihm (nicht rechtlich aber buchhalterisch).

Eine Zentralbank, welche „Geld aus dem nichts“ verbucht, ist eine „Diebin“ gegenüber ihrer eigenen Volkswirtschaft, genauso wie ein Geldfälscher gegenüber den Konsumenten oder ein Uhrendieb gegenüber dem Bestohlenen.

In einem zweiten Schritt müsste nun die EZB das gedruckte Geld an die Haushalte verteilen („Helikoptergeld“). Sie müsste dieses also aus ihrer Bilanz wieder ausbuchen, genauso wie das Eigenkapital. Die Bilanz der EZB würde somit wieder auf null fallen.

Demgegenüber erhielten die privaten Haushalte und die Unternehmen nun das Geld aus den Beständen der EZB. Die Haushalte könnten jetzt dieses Geld auf ihrer Vermögensseite einbuchen und das entsprechende Eigenkapital auf der Gegenseite.

Hat dieses Geld nun einen Wert?

Nein. Es hat genauso wenig wert wie die „Geldblüten“ eines Geldfälschers in einem Hinterhof. Geld hat nur dann einen Wert, wenn es als Gegenbuchung für einen realen Wert emittiert wird. Die ganze Volkswirtschaft der EZB bestünde nun aus „Geldfälschern“.

Ich möchte erneut auf meinen Vergleich aus meinem Beitrag „Die SNB und das Märchen von der Geldschöpfung“ zurückkommen.

Dort zeigte ich, dass ein Geburtsschein ohne Kind nichtig ist. Ein Geburtsschein macht nur Sinn, wenn ein Kind geboren wurde. Das Bevölkerungswachstum kann nicht angekurbelt werden, wenn die Ärzte einfach Geburtsscheine ausstellen ohne Kinder.

Nein. Es müssen Kinder geboren und für diese Geburtsscheine ausgestellt werden – nur so können wir von Bevölkerungswachstum sprechen.

Genauso für das Wirtschaftswachstum: Es ist sinnlos, wenn die Zentralbanken Geldscheine drucken ohne reale Wirtschaftstätigkeit. Nein. Die reale Wirtschaftsleistung muss zunehmen wogegen mehr Geld gedruckt werden kann.

Also nur Geld drucken und an die Bevölkerung austeilen ist ein Witz.

Das war bereits die Idee der Vollgeld-Initiative. Die Menschen erhalten Geld ohne Gegenleistung.

Das wäre reiner Kommunismus. Wer sollte dann noch arbeiten? Zudem müsste die EZB in ihrer heutigen Form liquidiert werden, weil Geld ja bei der Geldemission ausgebucht und in die Taschen der privaten Haushalte hinübergebucht würde.

Bei der heutigen EZB, wie auch bei allen Notenbanken, wird Geld bei der Emission aber in die Zentralbank-Bilanz eingebucht – nicht ausgebucht, was die Folge von Hildebrands Vorschlag wäre. Auch diesbezüglich hat er sich offensichtlich überhaupt keine Gedanken gemacht.

Hildebrand befürchtet, die Inflation könnte noch tiefer sinken. Deshalb müssten nun andere geldpolitische Instrumente her als bisher.

So what?

Wie ich hier schon diverse Male gezeigt habe, gibt es eine gute und eine schlechte Deflation (fallende Preise). Eine gute Deflation liegt vor, wenn die Preise fallen, wegen tieferen Importpreisen, verbesserter Produktivität.

Genau das ist heute der Fall. Wir profitieren von tiefen Importpreisen aus Fernost, von tiefen Energiepreisen, von tieferen Produktionskosten wegen der Computerisierung. All dies führt zu fallenden Preisen, wobei die Konjunktur angekurbelt wird.

Es gibt keinen Grund, auf Panik zu machen, weil die Preise fallen. Im Gegenteil: Wir können uns über die fallenden Preise freuen.

Unsere Zentralbanken befinden sich jedoch seit über 10 Jahren im Krisenmodus und verbreiten Panik, nur weil sie die Grundlagen der Volkswirtschaftslehre nicht begriffen haben. Zudem können die Notenbanken die Volkswirtschaften über die Zinsen gar nicht ankurbeln, wie Hildebrand meint.

Warum nicht?

Die Zentralbanken können auf ihrer Vermögensseite nur so viel Kapital in eine Volkswirtschaft investieren, wie sie dieser über ihre Schuldenseite (Passivseite) entnehmen. Geldpolitik ist somit per Saldo ein Null-Summen-Spiel.

Der Vorschlag von Philipp Hildebrand, die Zentralbanken und als Vorreiterin die EZB sollen einfach Geld drucken und an die Haushalte auszahlen, um den Konsum anzuregen (noch mehr Konsum? Haben wir nicht schon mehr als genug?), würde in einem kommunistischen Chaos enden.

Geldpolitische Entscheide haben einen sehr grossen Einfluss auf das Weltgeschehen. Der zweite Weltkrieg wurde begünstigt durch geldpolitische Fehlentwicklungen. Wir können uns Irrtümer in der Geldtheorie nicht leisten.

Mit Geldtheorie ist nicht zu spassen. Der Euro wurde eingeführt, um Europa zusammen zu führen. Ein Scheitern des Euro könnte ungewünschte politische Entwicklungen nach sich ziehen. Philipp Hildebrands Vorschlag gefährdet die Stabilität des Euro.

Ganz zu schweigen für die Folgen der Schweiz, welche mit hunderten Milliarden mit Abstand grösste Gläubigerin des Euro-Raumes ist. Sie stünde plötzlich mit leeren Taschen und dafür fast einer Billion Schulden da, sollte der Euro plötzlich von der EZB verschenkt werden.

Ich bitte Herrn Hildebrand deshalb, uns zu zeigen, wie eine Zentralbank eine solche Geldemission verbuchen würde. Dann würden wir klar sehen.

Dass die Bank so viel weniger kostet, als sie selbst an Wert ausweist, sei dramatisch, sagt Hans Geiger. Keiner glaube mehr an sie. Was tun? Kosten runter, auch beim Personal.

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Marc Meyer
Together with the professor Hans Geiger and Lukas Hässig, Dr Marc Meyer is the biggest opponent of the Swiss National Bank. Analogously to Macbeth's three witches, George Dorgan called them the three Swiss sorcerers that fight against the seemingly unlimited power of central banks.
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