Viele Medienmitteilungen des VBS enden mit dem Versprechen, dass die rapportierte Aktion der “Stärkung der Verteidigungsfähigkeit” dient (Beispiele unten) – als ob man es extra erwähnen müsste. Oder ist dies nicht ein permanenter Auftrag an die Armee?
Im VBS wird unterdessen so viel für die Stärkung der Verteidigungsfähigkeit getan, dass einem schwindlig wird. Unterdessen wird fast jede erfolgreich abgeschlossene Tätigkeit, jeder Kontakt mit Externen, jede “erfolgreich” abgeschlossene Übung und jede sauber geputzte Toilette in einer Kaserne als Erfolg verkauft, die zu einer “Stärkung der Verteidigungsfähigkeit” beiträgt. Wie dies jeweils konkret erfolgt, bleibt ein Geheimnis der Spin-Doctors von der Papiermühlestrasse.
Wurde die Verteidigungsfähigkeit denn nicht kontinuierlich mit den Armeereformen “Armee 95”, “Armee XXI”, “Entwicklungsschritt 08/11” und “WEA” erhöht? “Weniger Fett, mehr Muskeln” war doch stets die Losung?
Das Modewort
Chat GPT weiss zum Wort “Verteidigungsfähigkeit” dies zu berichten:
Das Wort “Verteidigungsfähigkeit” hat in den letzten Jahren an Bedeutung in der Schweizer Medienlandschaft gewonnen, insbesondere in Verbindung mit sicherheitspolitischen Diskussionen, die durch den Krieg in der Ukraine und die veränderte geopolitische Lage verstärkt wurden. In verschiedenen Studien und Berichten der letzten Jahre wird oft auf die Notwendigkeit hingewiesen, die Verteidigungsfähigkeit der Schweiz zu stärken.
In den Medien wird häufig darüber berichtet, dass die Verteidigungsfähigkeit durch Maßnahmen wie die Modernisierung der Armee und die Erhöhung der Verteidigungsausgaben verbessert werden soll. Diese Diskussionen betreffen sowohl die technische Ausrüstung der Armee als auch die internationale Zusammenarbeit, etwa durch verstärkte Kooperationen mit der NATO, ohne die Neutralität zu gefährden.
Typische Verben, die im Zusammenhang mit der Verteidigungsfähigkeit verwendet werden, sind beispielsweise “stärken”, “verbessern”, “ausbauen”, “gewährleisten” und “absichern”. Diese Verben unterstreichen die proaktive Haltung der Schweiz gegenüber sicherheitspolitischen Herausforderungen, bei denen eine “vollständig ausgerüstete” Armee als zentral betrachtet wird【5†source】【6†source】【8†source】.
Ein Blick auf die Verlaufskurve zeigt, dass der Begriff erst seit ein paar wenigen Jahren wieder “en vogue” ist:
Absolut gesehen sieht es noch extremer aus:
Hier sehen wir zudem, dass der Begriff im deutschsprachigen Raum in erster Linie von der Schweiz, und da primär von der NZZ “gepusht” wird:
Wird das Ziel erreicht?
Das Wort hat in der Schweiz wohl den Begriff “Dissuasion” (Abhaltung, Abschreckung) abgelöst, denn davon spricht seit den 90ern niemand mehr. Damals wollte man eine Wirkung gegenüber einem potenziellen Gegner erwirken. Heute will man immerhin noch fähig sein (!), die Schweiz verteidigen zu können.
“fähig sein” wird definiert als “aufgrund seiner Intelligenz, Tüchtigkeit, Geschicktheit in der Lage, gestellte Aufgaben zu bewältigen”
Die gestellte Aufgabe wäre also die (Landes)Verteidigung. Diese gestellte Aufgabe muss man bewältigen können.
“Ob die Verteidigungsfähigkeit glaubwürdig ist, liegt letztlich immer im Ermessen eines potenziellen Gegners.” Quelle: “Verteidigungsfähigkeit und Kooperation” (Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulats 23.3000 SiK-S vom 12. Januar 2023 und des Postulats 23.3131 Dittli vom 14. März 2023)
Ob wir sie mal fragen sollten? Schliesslich wäre dann ja ein messbares Ziel erreicht, oder?
Oder werden auserwählte Experten die Beurteilung für den Gegner vornehmen und mit einem Gefälligkeitsgutachten den Erfolg aller dieser Tätigkeiten bescheinigen?
Alle wollen
Es fällt auf, dass alle die Verteidigungsfähigkeit “stärken” wollen. Dabei vergessen Sie, dass die Verteidigungsfähigkeit der Schweiz auf einem sehr tiefen Niveau liegt. Da wären Verben wie “erlangen”, “zurückgewinnen”, “erhöhen” oder “aufbauen” passender. “Stärken” kann man nur etwas, das bereits stark ist.
Kaum ein militärfreundlicher Verein kommt heute darum herum, sich hinter dem neuen Matra “Stärkung der Verteidigungsfähigkeit” zu versammeln. Überall verlangen die Organisationen – je nach Opportunität und Ausrichtung – nach mehr Geld, vollständiger Ausrüstung, mehr Soldaten, mehr Rüstung oder anderen partikulären Punkten / Interessen.
Als vor 10 Jahren eine kleine Gruppe (Giardino) gegen die WEA (“Weiterentwicklung der Armee” – auch “Weiterer Abbau der Armee”) aufstand, fanden sich diese Organisationen fast ausnahmslos im Lager der “Befürworter der Armee”. Schon damals wollten sie nur das Beste für die Armee. Heute müssten sie eingestehen, dass mit ihrer Unterstützung für die diversen Abbauschritte (“Weiterentwicklungen”) der desolate Zustand erst entstand. Wo bleibt die Einsicht? Wo die Entschuldigung für die Fehleinschätzung? Wie wäre es mit Verantwortung übernehmen?
Heute wiederholen die gleichen Akteure jene Argumente, welche die Giardinesen schon damals faktenreich untermauert verkündet haben. Nüchtern beurteilt: Sie kommen heute zu spät.
Zunächst einmal müssten diese “Gut-Militaristen” eingestehen, dass mit der “Stärkung” eigentlich ein Neuaufbau gemeint ist, denn die aktuell verbleibende “Rumpf-Überwachungs-Armee” weist KEINE Verteidigungsfähigkeit mehr auf. Sie ist reine Staffage – ein “Trachtenverein” ohne jegliche signifikante Wirkung ggü. einem Gegner. Das bezeugt selbst der CdA. Das noch vorhandene Wissen reicht noch knapp für den Betrieb eines Museums. Als “Basis für einen Aufwuchs” ist das Fundament nicht geeignet, dazu fehlt nur schon das Konzept oder die Infrastruktur. Das Pferd ist tot!
Dass jede Organisation für sich (Bsp 1 / 2) natürlich die Prioritäten für eine “Stärkung” kennt, ist logisch. Die Politik wird daraus aber kaum stringentes, logisches, auf einen möglichen Gegner ausgerichtetes Konzept basteln können. Es wird ein “gut schweizerischer Kompromiss” geboren werden, der jedoch in seiner Wirkung die Armee keinen Schritt näher an das gewünschte Ziel bringt.
Wenn Sie in nächster Zeit in einer der Publikationen oder in einer Medienmitteilung der Armee diese Ausdruck finden sollten wissen Sie genau, dass dies reine kommunikative Konservenware ist, welche verhindern soll, dass der Vorhang fällt und die Armee mit abgesägten Hosen dasteht.
Beispiele
Der Bundesrat genehmigt die Teilnahme der Schweiz an zwei PESCO-Projekten (21.8.24)
“Die beiden Projekte «Military Mobility» und «Cyber Ranges Federation» bieten die Möglichkeit, die internationale Zusammenarbeit zwischen Streitkräften zu erweitern. Dies stärkt die nationale Verteidigungsfähigkeit der Schweiz.“
Der Chef der Armee zu Besuch beim Chef der polnischen Streitkräfte (20.8.24)
“Der Ausbau der Kooperation erhöht die Verteidigungsfähigkeit der Armee und stärkt damit die Sicherheit der Schweiz.”
Chef der Armee empfängt den Vorsitzenden des EU-Militärausschusses im Rahmen eines offiziellen Besuchs in der Schweiz (11.7.24)
“Einen Beitrag zur Sicherheit Europas zu leisten und die Zusammenarbeit auszubauen, stärkt die Verteidigungsfähigkeit der Armee und somit die Sicherheit der Schweiz.“
Die Höhere Kaderausbildung der Schweizer Armee durch die NATO akkreditiert (10.7.24)
“Um die Verteidigungsfähigkeit zu stärken, wird die internationale Kooperation der Armee mit Partnern intensiviert.”
Schweizer Luftwaffe trainiert mit zwei Helikopter-Einheiten der französischen Heeresflieger in Payerne (8.7.24)
“Gemeinsames Training stärkt die Verteidigungsfähigkeit“
Der Chef der Armee auf Besuch beim Oberbefehlshaber der estnischen Verteidigungskräfte (11.6.24)
“Der Austausch mit den Partnerstaaten liefert wichtige Erkenntnisse für die Stärkung der eigenen Fähigkeiten. Der Ausbau der Kooperation erhöht die Verteidigungsfähigkeit der Armee und stärkt damit die Sicherheit der Schweiz.“
Fazit
“Die Verteidigungsfähigkeit stärkten” ist eine Worthülse! Sie rechtfertigt sämtliche Tätigkeiten, verleiht dem VBS das Mäntelchen der zielgerichteten Tätigkeit ohne genauer auf eine messbare Wirkung eingehen zu müssen. Der Ausdruck ist ein Teil der Propaganda des VBS, der uns das Gefühl von “alles wird gut!” oder “wir sind auf dem richtigen Weg” geben soll. Die Worte werden von jenen verwendet, welche schon in der Vergangenheit die Armee immer näher an den Abgrund geführt haben. Ihre Kompetenz ist daher in Frage zu stellen. Man muss sich zudem fragen: Wissen sie’s nicht besser oder lügen sie uns an? Was sind denn die wirklichen Ziele dahinter?
Wenn Sie also demnächst wieder über den Ausdruck stolpern sollten, rufen Sie laut “Bullshit!”