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Elektronisches Zentralbankengeld hat Vorteile

Cryptocurrencies

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Die Schweizerische Nationalbank hat dem E-Franken eine Absage erteilt – zu Unrecht, sagt Dirk Niepelt im Interview mit finews.ch. Der Direktor des SNB-nahen Studienzentrums Gerzensee erklärt, warum digitales Geld Vorteile bringt.

Vergangene Woche hat sich Andréa Mächler, Mitglied des dreiköpfigen Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank (SNB), kritisch zur Einführung eines elektronischen Frankens durch die SNB geäussert, wie auch finews.ch berichtete. Im Folgenden geht Dirk Niepelt vom Studienzentrum Gerzensee vertieft auf das Thema einer digitalen Zentralbankenwährung ein und nennt die Auswirkungen, welche diese hätte.

Herr Niepelt, was ist der Unterschied zwischen einer Kryptowährung und einer elektronischen Währung?

Der Hauptunterschied liegt beim Emittenten. Kryptowährungen werden von Privaten emittiert, während Zentralbanken die aus meiner Sicht vielversprechenderen «central bank digital currencies» herausgeben. In beiden Fällen sprechen wir von elektronischem Geld, aber aufgrund der unterschiedlichen Emittenten sind die beiden Geldarten natürlich verschieden und dies hat Auswirkungen für die Nutzer.

Was bedeutet dies konkret für den Bürger? Wofür brauchen wir so etwas eigentlich?

Elektronisches Zentralbankgeld hat Vorteile sowohl für den einzelnen Bürger als auch für die Gesellschaft als Ganzes. Für den Einzelnen bedeutet es, dass er Zugang zu Zentralbankgeld erhält, womit er elektronisch bezahlen kann. Dies können Bürger oder Unternehmen ausserhalb des Finanzsektors heute nicht; sie können nur mit von Banken emittierten Forderungen — elektronisch — oder mit Zentralbankgeld — bar, in Form von Noten und Münzen — bezahlen.
«Bankengeld haftet ein Liquiditäts- und Kreditrisiko an»

Letzteres ist in der Regel unpraktischer und wird in vielen Ländern mehr und mehr eingeschränkt. Wir werden zunehmend gedrängt, elektronisch zu bezahlen, können dies aber nicht mit Zentralbankgeld tun.

Was ist denn das Problem mit dem Geld, das die Banken emittieren?

Sobald ich mit Bankengeld bezahle, trage ich ein gewisses Liquiditäts- und Kreditrisiko. Das ist in der Schweiz zwar gering, aber bei elektronischem Zentralbankgeld besteht dieses Risiko überhaupt nicht.

Wo hätte der Bürger denn künftig sein Konto?

Er hätte die Möglichkeit, zusätzlich Konten mit Zentralbankgeld zu führen. Eine Variante wäre, dass die Zentralbank diese neuen Konten verwalten würde – so wie dies früher einmal der Fall war. Dies ist aber wahrscheinlich nicht die technisch effizienteste und wohl auch nicht die politisch vernünftigste Variante.

Besser wäre aus meiner Sicht, dass elektronisches Zentralbankgeld von der Nationalbank herausgegeben, der Zahlungsverkehr aber private Anbieter verwalten. Man könnte das elektronische Zentralbankgeld auch mit einem System von Prepaidkarten nutzen. Diese Möglichkeit wird in Schweden diskutiert.

Die Finanzindustrie wäre wohl nicht eben erfreut über einen solchen Vorstoss.

Es würde für die Finanzindustrie sicher Änderungen mit sich bringen. Ob es sie unglücklich machte, hängt sehr stark davon ab, ob auf dieses Zentralbankgeld Zins bezahlt würde. Ich denke, die Finanzindustrie wünscht sich vor allem Zentralbankgeld in neuen Medien — zum Beispiel Blockchain tauglich — aber wohl vor allem für die Finanzindustrie selber.
«Eine dauerhafte Kreditklemme ist unwahrscheinlich»

Wenn auch das breite Publikum Zugang zu elektronischem Zentralbankgeld bekäme, wäre dies nicht unbedingt ein Vorteil für die Finanzindustrie, denn die Bürger hätten Alternativen zum Bankengeld. Aber eine wirklich grosse Veränderung ergäbe sich erst dann, wenn Zins auf dieses Zentralbankgeld bezahlt würde. Dann würde elektronisches Zentralbankgeld ein Konkurrenzprodukt zu herkömmlichen Sichteinlagen. Und das würde eine Anpassung des Finanzierungsmodells vieler Banken erzwingen.

Mithin die klassische Disruption, von der alle sprechen – einfach von Staates wegen statt durch die Fintech-Industrie.

Wenn dieses Modell käme, bedeutete dies sicherlich eine erhebliche Disruption für den Finanzsektor. Ich glaube aber nicht, dass Unternehmen, die auf Banken angewiesen sind, deswegen dauerhaft in eine Kreditklemme gerieten. Die Banken müssten sich anders finanzieren, um Kredite vergeben zu können, via Termineinlagen oder Obligationen zum Beispiel.

Wäre der Nutzen für den Bürger nicht grösser in einem System, wo Banken gänzlich überflüssig wären?

Nicht unbedingt. Die Banken bieten schliesslich nützliche Dienstleistungen an, und sie erbringen diese möglicherweise effizienter, als es die Nationalbank könnte. Hinzu kommt, dass Banken Sichteinlagen wohl weiterhin teilweise zur Finanzierung produktiver Aktiva verwenden dürften.
«Wir verwenden in der Schweiz zwei Währungen»

Daher könnten sie auf Sichteinlagen auch einen höheren Zins bezahlen oder tiefere Gebühren verlangen. Es ist also keineswegs offensichtlich, wieviel Mittel von den Geschäftsbanken abfliessen würden.

So gesehen hätten wir also zwei Währungen?

Die haben wir heute schon — wir nehmen dies in der Praxis aber kaum wahr. Wir glauben, dass Sichteinlagen bei der Geschäftsbank und Bargeld uns faktisch die gleichen Ansprüche garantieren. Und das stimmt ja auch meistens. Zum einen, weil Banken ihre Liquidität sorgfältig managen. Zum anderen, weil in kleineren Notfällen die Einlagensicherung einspringt. Und bei grossen Notfällen gibt es immer noch die Nationalbank, die als «lender of last resort» eingreifen kann. Erst wenn alle diese Stricke reissen, merken wir, dass Sichteinlagen der Banken und Zentralbankgeld eben doch verschiedene Qualitäten haben.

Wie sähe es für Firmen aus? Wie kommen die zu ihren Krediten?

Genau gleich wie heute, sofern die Firma ihre Geschäftspartner mit Bankengeld bezahlen könnte — so wie das heute der Fall ist. Wenn ihre Geschäftspartner aber Zahlung in Zentralbankgeld verlangten, dann müsste die Firma oder die kreditgebende Bank erst jemanden finden, der ihr dieses Zentralbankgeld ausliehe. Das wäre genau die Welt, von der die Mehrheit der Bevölkerung glaubt, dass wir in ihr leben.

Welchen Einfluss hätte dieEinführung einer elektronischen Währung auf die Zinspolitik der Zentralbank?

Die heutigen Instrumente könnten auch weiterhin eingesetzt werden. Aber es gäbe gegebenenfalls neue Instrumente. Es stellten sich beispielsweise die Fragen, wie das zusätzliche Zentralbankgeld in Umlauf käme oder ob Zentralbankgeld für das Publikum und die Reserven der Banken den gleichen Zins abwerfen sollten.

Welche Auswirkungen hätte die Einführung einer solchen Währung auf die Stellung des Franken auf einer globalen Ebene?

Der Wechselkurs des Frankens hängt davon ab, wie sich die monetären und realwirtschaftlichen Fundamentaldaten in der Schweiz im Vergleich zum Ausland entwickeln.
«Der elektronische Franken wäre eine neue Anlageklasse»
Die Aufteilung der gesamten relevanten Geldmenge in ihre Komponenten spielt nur eine zweitrangige Rolle bei der Bewertung der Währung.

Wie bewerten Sie die Chancen eines solchen Projekts?

Wir haben vor allem über die Vorteile für den Einzelnen gesprochen, aber es gäbe auch Vorteile für die Gesellschaft, und die dürften die Chancen erhöhen. Heute können Zentralbanken vom Bankensektor unter Zugzwang gesetzt werden.
«Geschäftsbanken sind in Vertrauenskrisen auf Zentralbanken angewisen»

Wenn grosse Banken in Probleme geraten, muss die Zentralbank im Zweifelsfall einschreiten und Liquiditätshilfen bereitstellen. Dadurch entstehen der Gesellschaft unter Umständen Kosten, für die die Banken nicht bürgen müssen. Mit weniger privater Geldschöpfung würde die mangelnde Durchsetzung des Verursacherprinzips potenziell entschärft.

In den letzten Jahren wurden zwar die Eigenkapital- und Liquiditätsvorschriften verschärft. Aber ein System, in dem Geschäftsbanken 90 Prozent des Geldes schöpfen, wird im Zweifelsfall nie eine gröbere Vertrauenskrise ohne Hilfe der Zentralbank meistern können.

Welche Kosten meinen Sie genau?

Wenn die Zentralbank zu viel Liquidität bereitstellt oder sie zu spät reduziert, kann dies zum Beispiel negative Folgen für die Preisstabilität haben. Denken sie nur an die Diskussion während der letzten Jahre, ob die riesigen Bilanzen, die die Zentralbanken im Zuge der Krise aufgebaut haben, Inflationsgefahren bergen.

Ein anderer Vorteil aus gesellschaftlicher Sicht ist in der Schweiz weniger zentral, dafür aber in vielen anderen europäischen Ländern umso mehr: Der Einsatz von Bargeld wird im Prinzip zunehmend verboten, aber ein gleichwertiger Ersatz wird den Bürgern nicht zur Verfügung gestellt. Diese Situation ist stossend.

Denken Sie nicht, dass die Schweiz der letzte Staat sein wird, der eine elektronische Währung einführen wird? Schliesslich lieben wir unser Bargeld.

Der letzte wohl kaum, aber die Einführung ist hierzulande sicher weniger drängend als in anderen Ländern. In Schweden zum Beispiel steht das Thema höher auf der Tagesordnung wegen des starken Rückgangs der Bargeldnutzung. Die Riksbank möchte sicherstellen, dass der Zahlungsverkehr auch dann noch funktioniert, wenn die Banken in Schieflage geraten. Dies ist in der Schweiz momentan kein Thema, weil hierzulande Bargeld viel stärker genutzt wird.

Aber dies bedingt doch, dass man die physische Währung im Umlauf belässt und die Realwirtschaft zwingt, diese zu akzeptieren?

Dem ersten Teil würde ich zustimmen. Beim Zwingen wird es etwas schwieriger. Aber klar, es stellt sich die Frage, wie auch diejenigen am Wirtschaftsleben teilhaben können, die sich kein Konto leisten können. Aber dies ist eine sozialpolitische Frage und keine Aufgabe der Zentralbank.

Denken Sie, dass es für die weitere Entwicklung der Idee ein Land braucht, das eine Pionierrolle übernimmt?

Schweden liegt da auf der Hand. Ich denke aber, es wird kein grosser erster Schritt werden – die Prepaidlösung, die ich vorher erwähnt habe, ist nur eine kleine Revolution. Sie hat überschaubare Folgen, das Geld wird nicht verzinst und stellt deshalb noch keine Bedrohung für das Einlagengeschäft der Banken dar.

Wo sehen Sie die Aufgabe der SNB?

Sie muss die Lage beobachten und sich Gedanken darüber machen, wie elektronisches Zentralbankgeld für alle in der Schweiz eingeführt werden könnte. Dabei wären unter anderem juristische Hürden zu überwinden.

finews.ch, April 9, 2018. PDF.

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Dirk Niepelt
Dirk Niepelt is Director of the Study Center Gerzensee and Professor at the University of Bern. A research fellow at the Centre for Economic Policy Research (CEPR, London), CESifo (Munich) research network member and member of the macroeconomic committee of the Verein für Socialpolitik, he served on the board of the Swiss Society of Economics and Statistics and was an invited professor at the University of Lausanne as well as a visiting professor at the Institute for International Economic Studies (IIES) at Stockholm University.
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